Rechte der Bürger gegenüber der Gemeindeverwaltung in Rheinland-Pfalz

Was der Bürger wissen sollte – und wie er sich gegen Missstände wehren kann.


Einleitung: Die Gemeinde arbeitet für Sie – nicht umgekehrt

Ob Baugenehmigung, Straßenbeleuchtung oder Kita-Platz – die Entscheidungen der Gemeindeverwaltung betreffen Sie direkt. Doch allzu oft erleben Bürger die Verwaltung als intransparent, schwer erreichbar oder sogar abweisend. Dabei gilt in einem demokratischen Rechtsstaat:

Die Verwaltung ist nicht Herrscher über die Bürger, sondern deren Dienstleister.

In Rheinland-Pfalz haben Bürger klare Rechte, und die Gemeinde hat gesetzlich verankerte Pflichten zur Offenheit, Beteiligung und Rechenschaft. Dieser Artikel zeigt Ihnen im Detail, was Sie wissen müssen – und wie Sie sich selbstbewusst, sachlich und rechtlich fundiert gegen unklare, falsche oder unzulässige Entscheidungen wehren können.


Rechtliche Grundlagen Ihrer Rechte

Ihre Ansprüche und Rechte gegenüber Bürgermeister, Gemeinderat und Verwaltung beruhen auf:

  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG RLP)
  • Landestransparenzgesetz (LTranspG RLP)
  • Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO RLP)
  • Grundgesetz (GG): Art. 17 (Petitionsrecht), Art. 20 (Demokratieprinzip)

I. Ihre Rechte als Bürger – Klar, umfassend, einklagbar

🔹 1. Auskunftsrecht & Informationspflicht (§ 13 LTranspG)

Sie dürfen wissen:

  • Wie Entscheidungen zustande kamen
  • Welche Gutachten, Stellungnahmen oder Berechnungen zugrunde lagen
  • Welche Behörden oder Personen beteiligt waren
  • Welche Alternativen geprüft wurden

Wichtig:
Die Verwaltung darf Informationen nur dann verweigern, wenn es gesetzlich geboten ist – etwa bei personenbezogenen Daten oder Geschäftsgeheimnissen. Alles andere muss auf Nachfrage offengelegt werden.


🔹 2. Akteneinsicht (§ 29 VwVfG RLP)

Bei Verfahren, die Sie betreffen (z. B. Bauantrag des Nachbarn, Lärmfragen, Anliegerbeiträge), dürfen Sie Akteneinsicht verlangen – auch elektronisch.

Das gilt auch für:

  • Bebauungspläne
  • Satzungsentwürfe
  • Protokolle öffentlicher Sitzungen

Ein formloser schriftlicher Antrag reicht.


🔹 3. Recht auf transparente Entscheidungsverfahren

Alle Verwaltungsentscheidungen müssen begründet und nachvollziehbar sein.
Das heißt:

  • Es muss eine klare Rechtsgrundlage genannt werden.
  • Die Abwägung der Interessen muss dokumentiert sein.
  • Sie haben Anspruch auf eine schriftliche Begründung.

Erhalten Sie eine Entscheidung ohne Begründung? → Widerspruch einlegen.


🔹 4. Teilnahmerecht an öffentlichen Sitzungen (§ 35 GemO)

Sie dürfen:

  • An öffentlichen Gemeinderatssitzungen teilnehmen
  • In der Einwohnerfragestunde Fragen stellen
  • Protokolle der öffentlichen Sitzungen einsehen

Wenn Sie von Sitzungen ausgeschlossen werden, obwohl keine vertraulichen Inhalte behandelt werden: unzulässig.


🔹 5. Recht auf Beteiligung und Eingabe (§§ 16, 17 GemO / Art. 17 GG)

  • Sie dürfen Anregungen und Beschwerden einreichen – und haben Anspruch auf Antwort.
  • Sie können Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide initiieren (bei grundsätzlichen Fragen).
  • Sie dürfen öffentliche Kritik äußern – auch scharf, solange sie sachlich und nicht beleidigend ist.

II. Typische Probleme – und wie Sie sich wehren können

ProblemWas Sie tun können
Die Verwaltung schweigt oder verzögertSchriftlich erinnern, § 13 LTranspG zitieren, ggf. Kommunalaufsicht einschalten
Ablehnungsbescheid ohne BegründungWiderspruch einlegen, Akteneinsicht verlangen
Nicht-öffentliche Sitzung ohne triftigen GrundRüge einreichen, öffentliche Behandlung fordern
Anfrage wird ignoriert oder bagatellisiertFrist setzen, Beschwerde bei Kreisverwaltung oder Landesbeauftragten für Informationsfreiheit einreichen
Beschlüsse werden nicht oder unklar veröffentlichtNachfragen, auf Veröffentlichungspflicht hinweisen, Öffentlichkeitsarbeit fordern

III. Informationspflichten des Bürgermeisters

Der Bürgermeister ist verpflichtet, die Verwaltung transparent zu führen und die Öffentlichkeit sachlich zu informieren.

Er muss:

  • Gemeinderatssitzungen ordnungsgemäß ankündigen (§ 34, § 35 GemO)
  • Bürgeranfragen korrekt und vollständig beantworten
  • Verwaltungsentscheidungen verständlich und begründet darstellen
  • Keine Informationen zurückhalten, es sei denn gesetzlich begründet

Was er nicht darf:

  • Fragen abwürgen mit „Dazu sage ich nichts“
  • Tagesordnungspunkte „nach Laune“ ausblenden
  • Informationen selektiv nur an Ratsfreunde weitergeben
  • Öffentlichkeit scheuen – außer bei nachweislich vertraulichen Inhalten

IV. Informationspflichten des Gemeinderats gegenüber Bürgern

🔸 Was muss der Gemeinderat offenlegen?

PflichtBeispiel
Sitzungstermine veröffentlichenWebsite, Anschlagkasten, Amtsblatt
Tagesordnung vorab zugänglich machenz. B. „TOP 5: Zuschuss für Dorffest“
Protokolle der öffentlichen Sitzungen bereitstellenAusdruck im Rathaus, als PDF auf der Website
Beschlüsse transparent dokumentierenBeschluss über Vereinsförderung mit Begründung
Satzungen und Verordnungen veröffentlichenNeue Hundesteuersatzung im Amtsblatt
Bauvorhaben öffentlich beratenBeteiligung nach § 3 BauGB
Haushaltspläne offenlegenAls Download oder Auslage im Rathaus

🔸 Was der Rat nicht darf:

Unzulässiges VerhaltenWarum problematisch?
Sitzungen kurzfristig oder gar nicht ankündigenVerstoß gegen Öffentlichkeitspflicht
Protokolle unvollständig oder unverständlich haltenTäuschung durch Verschleierung
Entscheidungen in Ausschüsse verlagern, um Diskussion zu vermeidenUmgehung der Öffentlichkeit
Fragen in Einwohnerfragestunden ignorierenVerletzung des Beteiligungsrechts
Bürger durch „loyale Geschlossenheit“ mundtot machenDemokratiewidrig und rechtlich unhaltbar

🔸 Gute Praxis: So geht’s richtig

  • Website mit Sitzungskalender und Protokollen
  • FAQ zur Kommunalpolitik für Bürger
  • Regelmäßige Bürgerversammlungen
  • Niederschwelliges Beteiligungsformat (z. B. Bürgercafé, Ideenbox)
  • Freundliche, hilfsbereite Verwaltung – keine Abwehrhaltung

Fazit: Ihre Gemeinde gehört Ihnen – nicht der Verwaltung

Die Verwaltung hat keinen Ermessensspielraum bei Transparenz und Beteiligung – das sind Pflichten, keine Höflichkeitsgesten. Bürgermeister und Gemeinderat müssen Sie informieren, beteiligen und begründet entscheiden.

Sie als Bürgerin oder Bürger haben das Recht zu:

  • Fragen
  • Einsehen
  • Mitreden
  • Beanstanden
  • Mitentscheiden

Und wenn es klemmt, dann ist klar:

Ein mündiger Bürger ist der stärkste Schutz gegen eine schwache Demokratie.