Rolle der Gemeinderatsmitglieder

Die Rolle der Gemeinderatsmitglieder in Rheinland-Pfalz: Entscheidungsträger, Kontrollinstanz – und Hüter der kommunalen Demokratie


Grundsatz: Der Gemeinderat ist das oberste Organ der Gemeinde

Gemäß § 30 Abs. 1 GemO RLP ist der Gemeinderat das „Hauptorgan der Gemeinde“. Das bedeutet:

Der Bürgermeister ist nicht der Chef des Rates – der Rat ist der Chef des Bürgermeisters.

Auch wenn der Bürgermeister die Verwaltung leitet und den Vorsitz im Rat führt, bleibt der Gemeinderat das politische Entscheidungsorgan, dem der Bürgermeister rechenschaftspflichtig ist.


2. Aufgaben der Gemeinderatsmitglieder – Klartext & Gesetzesbezug

A. Beschlussorgan

Ratsmitglieder entscheiden über:

  • Satzungen (z. B. Bebauungsplan, Hundesteuersatzung)
  • Haushalts- und Finanzplanung
  • Investitionen, Grundstückskäufe, Darlehen
  • Schul- und Kindergartenangelegenheiten
  • Personalentscheidungen (soweit nicht delegiert)

Ohne Ratsbeschluss keine grundlegende Entscheidung in der Gemeinde.


B. Kontroll- und Aufsichtsfunktion gegenüber dem Bürgermeister

Hier wird’s scharf – und oft vernachlässigt:

FunktionBedeutung
Aufsicht über die Verwaltung (§ 30 Abs. 1 GemO)Die Gemeinderatsmitglieder kontrollieren, ob die Verwaltung (also der Bürgermeister) korrekt arbeitet.
Fragerecht (§ 20 GemO, § 34 GemO)Ratsmitglieder haben ein uneingeschränktes Recht, Auskünfte zu allen Angelegenheiten der Gemeinde zu verlangen.
Einblick in Akten (§ 20 Abs. 5 GemO)Sie dürfen Verwaltungsunterlagen einsehen – auch ohne spezielle Begründung.
Einspruch gegen Verwaltungsmaßnahmen (§ 36 Abs. 3 GemO)Sie können Widerspruch einlegen, wenn sie formale oder sachliche Fehler in der Amtsführung vermuten.
Einberufung von Sitzungen (§ 34 Abs. 3 GemO)Eine Minderheit (ein Drittel) des Rates kann eine Sitzung einberufen lassen, wenn der Bürgermeister sich weigert.

Praxisbeispiel:
Wenn der Bürgermeister einen Bauauftrag ohne Ratsbeschluss vergeben will, können und müssen Ratsmitglieder das beanstanden – sonst machen sie sich politisch (und ggf. haftungsrechtlich) mitschuldig.


C. Pflicht zur Überwachung – nicht zur Gefolgschaft

Ein häufiger Irrtum (und leider oft von Bürgermeistern forciert):
Dass die Ratsmitglieder „geschlossen“ auftreten sollen und „Loyalität nach außen“ Pflicht sei.

Falsch. Die oberste Pflicht der Ratsmitglieder ist die Kontrolle und Wahrung der Gemeindebelange – auch (und gerade), wenn das unbequem für den Bürgermeister ist.

Zitat aus der Rechtsprechung (VG Neustadt, 2016):
„Ein Gemeinderatsmitglied ist nicht zu Geschlossenheit gegenüber kritikwürdigen Verwaltungsentscheidungen verpflichtet, sondern vielmehr zur Kontrolle und ggf. zur öffentlichen Kritik.“


3. Rechte und Werkzeuge für die Aufsicht

InstrumentFunktion
Anträge im RatJeder kann eigene Anträge stellen – zur Kontrolle, Änderung oder Prüfung.
Anfragen & AkteneinsichtDienen zur Vorbereitung und Nachkontrolle.
AusschussarbeitFachliche Kontrolle durch Mitwirkung in z. B. Rechnungsprüfungsausschüssen.
ÖffentlichkeitsarbeitAuch Ratsmitglieder dürfen über öffentliche Inhalte informieren und Kritik äußern.
Kommunalaufsicht (Landkreis)Wenn der Bürgermeister systematisch Beschlüsse ignoriert, kann die Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden.

4. Wo es oft knallt – und warum Ratsmitglieder aufpassen müssen

Typische Konfliktfelder:

  • Bürgermeister schiebt Beschlussfassungen hinaus → Rat verliert Kontrolle.
  • Verwaltungsinformationen werden selektiv oder verspätet weitergegeben.
  • Bürgermeister betont „Zusammenarbeit“ – meint aber „Gefolgschaft“.
  • Fraktionen lassen sich einlullen → Kontrolle fällt faktisch aus.

Lösung:
Ratsmitglieder brauchen Mut, juristische Mindestkenntnisse und klare Kommunikation untereinander – nur so kann der Gemeinderat seiner Rolle als Kontroll- und Steuerungsorgan gerecht werden.


Fazit: Ratsarbeit ist keine Ehrenpflicht – sondern demokratische Machtkontrolle

Gemeinderatsmitglieder in Rheinland-Pfalz sind mehr als Abstimmungsgehilfen. Sie sind politisch verantwortlich für das Wohl der Gemeinde – und das heißt ausdrücklich:

Sie sollen den Bürgermeister kontrollieren.

Nicht aus Misstrauen – sondern aus demokratischer Verantwortung. Denn wer nicht kontrolliert, verliert. Und der Bürgermeister? Der darf leiten, aber nicht lenken, was der Rat beschließt.