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Wie sicher sind Ortsdurchfahrten? Eine kritische Analyse zur Verkehrssituation

In vielen rheinland-pfälzischen Ortsdurchfahrten rollen tagtäglich tonnenschwere Lkw durch enge Straßenabschnitte. Dort, wo sich die Fahrbahnen auf kaum mehr als 6,30 Meter verengen, ist kaum Platz zum Ausweichen – weder für Busse noch für den Begegnungsverkehr mit anderen Lkw. Gehwege sind oft schmaler als 1,80 Meter, in manchen Bereichen fast nur symbolisch vorhanden. Und doch: Der Schwerverkehr rollt ungebremst – legal, weil formal freigegeben.

Die abgebildete Fahrbahn ist zu schmal für eine sichere Lkw-Begegnung – sie unterschreitet die in der RASt 06 (Technischer Leitfaden für Straßenplanung in Deutschland) geforderten Mindestbreiten deutlich. Bildquelle: guckheim.com
Die abgebildete Fahrbahn ist mit ca. 6,20 m viel zu schmal für eine sichere Lkw-Begegnung – sie unterschreitet die in der RASt 06 (Technischer Leitfaden für Straßenplanung in Deutschland) geforderten Mindestbreiten deutlich. Bildquelle: guckheim.com

Guckheim als Beispiel: Wenn die Straße zum Nadelöhr wird

Ein besonders eindrückliches Beispiel findet sich hier, in der Ortsgemeinde Guckheim im Westerwaldkreis. Hier führt eine innerörtliche Landesstraße mitten durch den Ort – freigegeben für Schwerverkehr in beide Richtungen. Die Straßenbreite liegt abschnittsweise unter dem technisch empfohlenen Maß. Ausweichstellen fehlen, die Gehwege sind in Teilen zu schmal, um Fußgängern einen sicheren Abstand zum Verkehr zu gewährleisten. Die Situation in Guckheim steht exemplarisch für viele ähnliche Fälle im Land – und wirft die grundsätzliche Frage auf: Wie sicher sind unsere Landesstraßen in Ortslagen wirklich?

Technisch unzureichend und rechtlich bedenklich

Was auf den ersten Blick nach einer kommunalen Randnotiz klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ernsthafte sicherheitsrelevante Problematik mit juristischer Tragweite. Denn wenn sich Busse oder Lkw auf engen Straßenabschnitten begegnen, bleibt oft nur die Wahl zwischen Bremsen, Ausweichen – oder dem Überfahren des Bordsteins. Fußgänger sind dann im wortwörtlichen Sinne das schwächste Glied im System, besonders wenn ihnen weniger als der gesetzlich geforderte Bewegungsraum von 1,80 Metern zur Verfügung steht. Hinzu kommen der Luftsog großer Fahrzeuge, überstehende Außenspiegel oder Spritzwasser – Gefahren, die von der Planung bis zur Haftungsfrage Auswirkungen haben.

Zwei Lkw begegnen sich in der engen Ortsdurchfahrt – der rechte muss auf den Gehweg ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Für Fußgänger wird der Raum auf dem Gehweg zur Gefahrenzone. Bildquelle: guckheim.com
Zwei Lkw begegnen sich in der engen Ortsdurchfahrt – der rechte LKW muss auf den Gehweg ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Für Fußgänger wird der Raum auf dem Gehweg zur Gefahrenzone. Bildquelle: guckheim.com

Klare Vorgaben: Die technischen Mindestanforderungen

Ein Blick in die geltenden Regelwerke bringt Klarheit: Laut RASt 06, dem maßgeblichen technischen Leitfaden für Straßenplanung in Deutschland, gilt für zweistreifigen Verkehr mit regelmäßiger Lkw-Begegnung ein Mindestmaß von 7,00 Metern Gesamtfahrbahnbreite. Wer mit 6,30 Metern unterwegs ist, liegt damit deutlich unter dieser Grenze – unabhängig davon, ob es sich um eine kleine Ortsstraße oder eine Landesstraße handelt. Auch beim Thema Gehwege sind die Vorgaben klar: Unter 1,80 Meter wird es nicht nur eng, sondern gefährlich – sowohl was Barrierefreiheit betrifft als auch aus Sicht der allgemeinen Verkehrssicherheit.

Gesetzliche Pflicht zur Gefahrenabwehr

Rechtlich lässt sich diese Situation ebenfalls einordnen. Das Landesstraßengesetz von Rheinland-Pfalz schreibt vor, dass Straßen dem Verkehrsbedarf angemessen gebaut und unterhalten werden müssen. Gleichzeitig verpflichtet die Straßenverkehrsordnung die zuständigen Behörden zur Gefahrenabwehr – wenn eine konkrete Gefährdungslage vorliegt. Und genau die liegt hier vor: Wo Lkw nicht sicher aneinander vorbeikommen, Fußgänger keinen Schutzraum haben und keine Ausweichmöglichkeiten bestehen, entsteht mehr als nur ein abstraktes Risiko. Es handelt sich um eine dauerhafte, strukturelle Gefährdungslage.

Zuständigkeiten klar verteilt – Verantwortung bleibt oft unklar

Doch wer trägt Verantwortung? Die Aufgaben verteilen sich auf mehrere Schultern: Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) ist als Baulastträger zuständig für den Zustand der Straße. Er muss Mängel erkennen, melden und beseitigen. Die örtliche Straßenverkehrsbehörde – meist angesiedelt bei Verbandsgemeinde oder Kreisverwaltung – ist verantwortlich für verkehrsrechtliche Maßnahmen, zum Beispiel die Anordnung von Tempo 30, Fahrverboten oder Gewichtsbeschränkungen. Darüber hinaus kontrolliert die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD), ob der LBM seinen gesetzlichen Pflichten nachkommt.

An dieser Engstelle misst der Gehweg weniger als 80 Zentimeter – zu wenig für sicheren Abstand zum fließenden Verkehr und ein klarer Verstoß gegen geltende Planungsrichtlinien. Bildquelle: guckheim.com
An dieser Engstelle misst der Gehweg weniger als 80 Zentimeter – zu wenig für sicheren Abstand zum fließenden Verkehr und ein klarer Verstoß gegen geltende Planungsrichtlinien. Bildquelle: guckheim.com

Ortsgemeinden in der Pflicht: Beispiel Guckheim zeigt Handlungsdruck

Und mittendrin steht auch die Ortsgemeinde – keineswegs als bloßer Zuschauer. Am Beispiel von Guckheim wird deutlich, dass auch kleinere Kommunen eine aktive Rolle einnehmen müssen. Wer Hinweise auf eine gefährliche Verkehrssituation hat, muss tätig werden. Das beginnt bei der Beteiligung an Verkehrsschauen und reicht bis zur formellen Gefahrenanzeige gegenüber den zuständigen Behörden. Außerdem muss die Gemeinde gemeindeeigene Flächen wie Bushaltestellen, Gehwege oder Querungshilfen sichern – besonders dort, wo sie direkt an die problematische Straße angrenzen. Selbst eine rechtzeitige Information der Öffentlichkeit gehört dazu. Wird all das unterlassen, obwohl die Gemeinde von der Gefahrenlage weiß, kann ihr im Schadensfall sogar ein Mitverschulden zur Last gelegt werden – so sehen es sowohl das BGB als auch die Gemeindeordnung in Rheinland-Pfalz.

Konsequenzen bei Untätigkeit: Rechtlich brisant, politisch heikel

Dass es bei all dem nicht um Theorie geht, zeigen bereits erste juristische Einschätzungen. So könnte die ungehinderte Zulassung von Schwerverkehr auf zu schmalen Fahrbahnen ohne flankierende Schutzmaßnahmen gegen geltendes Recht verstoßen. Wird trotz erkennbarer Gefahrenlage nicht gehandelt, kann dies im Schadensfall zu einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht führen – und das sogar mit potenziellen haftungsrechtlichen Folgen für die betroffenen Institutionen.

Die Fahrbahn misst weniger als 6,30 Meter – deutlich zu wenig für den sicheren Begegnungsverkehr zweier Lkw gemäß RASt 06. Auch die Gehwege sind unter 1,50 Metern, teils sogar noch schmaler, und ohne ausreichenden Sicherheitsabstand zur Fahrbahn ein klares Sicherheitsrisiko. Bildquelle: guckheim.com
Die Fahrbahn misst weniger als 6,30 Meter – deutlich zu wenig für den sicheren Begegnungsverkehr zweier Lkw gemäß RASt 06 (Technischer Leitfaden für Straßenplanung in Deutschland) . Auch die Gehwege sind unter 1,50 Metern, teils sogar noch schmaler, und ohne ausreichenden Sicherheitsabstand ein klares Sicherheitsrisiko. Bildquelle: guckheim.com

Jetzt handeln: Maßnahmen müssen kurzfristig geprüft werden

Die logische Konsequenz: Es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf – technisch, rechtlich und politisch. Kurzfristig könnte etwa eine Tempo-30-Regelung zur Entschärfung beitragen. Mittelfristig ließe sich über Fahrverbote für besonders lange oder schwere Lkw nachdenken. Und langfristig bleibt nur der bauliche Ausbau: breitere Straßen, sichere Gehwege und mehr Schutz für alle Verkehrsteilnehmer. Parallel dazu braucht es regelmäßige Verkehrsschauen, gemeinsame Begehungen mit Polizei, LBM und Verwaltung – und eine klare Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit.

Fazit: Gemeinsam Verantwortung übernehmen – nicht erst im Schadensfall

Denn eines steht fest: Eine innerörtliche Landesstraße, die zu schmal für den heutigen Verkehrsbedarf ist, stellt keine Kleinigkeit dar. Sie ist ein sicherheitsrelevantes Problem mit rechtlichen Folgen. Nur wenn alle Beteiligten – von der Gemeinde bis zur Landesbehörde – gemeinsam handeln, lässt sich die Situation verbessern.

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