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Tempo 30 in Guckheim,  was dafür spricht

Die generelle Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften in Deutschland beträgt 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Tempo 30 ist die Ausnahme und muss gesondert angeordnet werden. Dies gilt auch für Landesstraßen, selbst wenn sie durch eine verkehrstechnisch hoch belastete Ortschaft wie Guckheim führen.

Die Gründe, warum flächendeckendes Tempo 30 auf Landesstraßen nicht automatisch umgesetzt wird, liegen in der bundesgesetzlichen Regelung (StVO) und ihrer verwaltungsrechtlichen Auslegung durch die zuständigen Behörden (insbesondere Landesbetrieb Mobilität, LBM). Allerdings müssen die Behörden nunmehr erweiterte Ziele berücksichtigen:

Grundsatz „Fließender Verkehr“ und erweiterte Ziele: Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) sind darauf ausgerichtet, die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs zu gewährleisten. Nach § 45 Abs. 9 StVO dürfen Maßnahmen wie Tempo 30 nur bei „zwingender Erforderlichkeit“ angeordnet werden. Mit den jüngsten Änderungen der StVO und der VwV-StVO (insbesondere seit April 2025) müssen die Straßenverkehrsbehörden bei ihren Anordnungen jedoch explizit auch Umwelt- und Klimaschutz, Gesundheit und die städtebauliche Entwicklung berücksichtigen. Diese neuen Ziele fließen grundsätzlich in die Abwägung für alle Anordnungen nach § 45 StVO ein und ermöglichen somit auch Tempo-30-Anordnungen auf einer breiteren Basis.

An dieser innerörtlichen Kurve liegt eine besonders kritische Verkehrssituation vor, die juristisch als qualifizierte Gefahrenlage eingestuft wird. Foto: R. Mauer
An dieser innerörtlichen Kurve liegt eine besonders kritische Verkehrssituation vor, die juristisch als qualifizierte Gefahrenlage eingestuft wird. Foto: R. Mauer

Kein Freifahrtschein für Tempo 30 auf Hauptstraßen

Wer glaubt, man könne einfach überall Tempo 30 anordnen, liegt falsch. Insbesondere ist es rechtlich nicht zulässig, klassifizierte Straßen wie Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen in eine Tempo-30-Zone einzubeziehen. Dies ist in § 45 Absatz 1c Satz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) explizit geregelt. Eine Tempo-30-Zone bezieht sich auf einen ganzen Bereich, nicht auf einzelne Streckenabschnitte. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf solchen Hauptverkehrsstraßen niemals Tempo 30 angeordnet werden darf. Vielmehr kommt es, wie so oft im Verkehrsrecht, auf die jeweiligen Umstände und die Erfüllung der Voraussetzungen für ein Streckenverbot an.

Wenn Tempo 30 möglich ist – unter klaren Bedingungen

Eine streckenweise Tempodrosselung ist sehr wohl erlaubt, sogar auf den großen Verkehrsadern wie der L 300 die durch Guckheim führt – allerdings nur, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind. Und mit „besonders“ ist wirklich mehr gemeint als ein bisschen viel Verkehr oder nerviger Lärm. Es braucht laut § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO eine sogenannte qualifizierte Gefahrenlage.

Das klingt erst mal nach Juristendeutsch, ist aber ziemlich klar: Die Gefahr muss über das normale Risiko im Straßenverkehr hinausgehen. Es reicht nicht, dass etwas „schon mal hätte passieren können“. Es muss nachweisbar sein, dass an einer bestimmten Stelle tatsächlich eine besondere Gefährdung besteht – und zwar objektiv, nachvollziehbar und am besten noch gut dokumentiert.

Wann liegt eine solche Gefahrenlage konkret vor?

Eine solche besondere Gefahrenlage ist wie ein Warnschild in der Akte der Straßenverkehrsbehörde: Sie zeigt an, dass es an diesem Punkt wirklich brenzlig wird. Beispiele? Gibt es einige. Etwa dort, wo enge Kurven oder unübersichtliche Kreuzungen die Sicht nehmen – ein bisschen wie Autofahren mit Scheuklappen. Oder wenn Gehwege fehlen oder so schmal sind, dass sich Fußgänger und Kinderwagen schon gegenseitig Platz machen müssen.

Auch dort, wo regelmäßig Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern auftreten – etwa zwischen PKW, Radfahrenden und Lkw – wird die Luft für Tempo 50 schnell dünn. Und wenn die Straße schlicht falsch gebaut ist? Also Kurvenradien für zwei LKW zu eng oder die Fahrbahn zu schmal für den tatsächlichen Verkehr sind, vor allem für Schwerlastverkehr? Wenn Bürgersteige zu schmal sind? Dann sprechen wir von einer unzureichenden Fahrbahngeometrie – ein echter Bremsklotz für fließenden Verkehr und ein echtes Argument für Tempo 30.

Kurzum: Auf den innerörtlichen Landesstraßen in Rheinland-Pfalz ist Tempo 30 kein Wunschkonzert. Es braucht gute Gründe – und die müssen nicht nur gut klingen, sondern auch wasserdicht belegt sein. Wer Tempo 30 will, muss zeigen, dass es vor Ort nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist. Sonst bleibt’s bei Tempo 50.

In Guckheim könnten zwei Tempo 30 Zonen eingerichtet werden. Im Bereich der Ortseinfahrt von Herschbach kommend, aufgrund § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO aufgrund sogenannter qualifizierter Gefahrenlagen und in Folge aufgrund § 45 Abs. 9 Satz 4 der StVO im erweiterten Bereich der Tagespflege.
In Guckheim könnten zwei Tempo 30 Zonen eingerichtet werden. Im Bereich der Ortseinfahrt von Herschbach kommend, entsprechend § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO aufgrund sogenannter qualifizierter Gefahrenlagen und in Folge entsprechend § 45 Abs. 9 Satz 4 der StVO im erweiterten Bereich der Tagespflege. Diese würden verkehrsrechtlich natürlich zusammen gefasst werden.

Tempo 30: Wenn der Schutz der Schwächsten Priorität hat

Nicht überall braucht es eine juristische Gefahrenanalyse, um Tempo 30 zu rechtfertigen. In bestimmten sensiblen Bereichen greift der Gesetzgeber bewusst zu einem stärkeren Schutzschirm – und das mit gutem Grund. Laut § 45 Abs. 9 Satz 4 der StVO darf direkt vor Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen oder auch Tagespflegen die Geschwindigkeit gedrosselt werden, selbst wenn keine außergewöhnliche Gefahrenlage vorliegt. Warum das so ist? Weil hier Menschen unterwegs sind, die im Straßenverkehr besonders verletzlich sind – sei es durch eingeschränkte Mobilität, Reaktionsfähigkeit oder Orientierung.

Spannend wird’s bei der rechtlichen Einstufung: Eine Tagespflege wird im Sinne der Straßenverkehrsordnung genauso behandelt wie ein stationäres Pflegeheim. Die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis haben klargestellt, dass auch Tagespflegeeinrichtungen unter den Begriff der „Alten- und Pflegeheime“ fallen, da sie eine vergleichbare Funktion erfüllen. Auch wenn die Gäste dieser Einrichtungen oft nur für ein paar Stunden am Tag dort betreut werden, zählt vor dem Gesetz vor allem eines: Ihre Schutzbedürftigkeit. Und die ist in beiden Fällen hoch. Wer schon mal gesehen hat, wie eine Seniorin mit Rollator versucht, bei Regen eine vielbefahrene Straße zu überqueren, weiß: Tempo 30 ist hier keine Schikane, sondern ein Sicherheitsnetz.

Was viele nicht wissen: Diese Regelung gilt sogar auf klassifizierten Straßen – also auch auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Die Tempo-30-Strecke kann durchaus 300 Meter lang sein. Das reicht in der Regel aus, um den unmittelbaren Bereich vor der Einrichtung sicherer zu machen. Es geht dabei nicht um flächendeckende Geschwindigkeitsbeschränkungen, sondern um punktuelle Maßnahmen, die Leben schützen können.

Vor sensiblen Einrichtungen wie einer Tagespflege darf das Auto also ein bisschen langsamer rollen – ganz bewusst und rechtlich abgesichert. Hier zählt nicht das allgemeine Verkehrsrisiko, sondern der Schutz derer, die ihn nicht allein einschätzen können.

Gemäß § 45 Absatz 9 Satz 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) wäre es in Guckheim möglich, die L 300 von der Einmündung der Hirtenstraße bis zur Einmündung der Quellen-/Mittelstraße als Tempo-30-Strecke auszuweisen. Dadurch würden die stark frequentierten Bereiche der Bäckerei Garcia, des Bürgerhauses, der Tagespflege, der Kirche und der Busbuchten verkehrsberuhigt. Eine Maßnahme die leicht umsetzbar ist.

Obwohl der Haupteingang der Tagespflege über eine Seitenstraße zugänglich ist, sind Besucher und Personal der Einrichtung oft gezwungen, die Haupt- oder Landesstraße zu queren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich Parkmöglichkeiten (wie der Parkplatz bei der Kirche) oder die nächstgelegenen Bushaltestellen direkt an der Hauptstraße befinden. Diese Notwendigkeit, die verkehrsreichere Straße zu überqueren, schafft eine potenzielle Gefahrenlage für die besonders schutzbedürftigen Personen der Tagespflege und kann somit eine Geschwindigkeitsreduzierung auf der Haupt- oder Landesstraße rechtfertigen. Die StVO verlangt auch nicht, dass Eingänge direkt zur verkehrsreichen Straße führen müssen, § 45 Abs. 9 Satz 4 der StVO beschreibt die Möglichkeit der reduzierten Geschwindigkeit „… im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen … Alten- und Pflegeheimen, …“.

Das sind genügend Argumente für eine durchsetzungsfähige Gemeindeverwaltung.

Tempo 30 als Lärmbremse: Wann der Verkehr wegen der Gesundheit langsamer rollen muss

Wer neben einer vielbefahrenen Straße wohnt, kennt das Gefühl: ständiges Dröhnen, vibrierende Fensterrahmen, Gespräche, die draußen kaum noch möglich sind. Wenn dieser Krach nicht nur nervt, sondern nachweislich krank macht, kann eine streckenbezogene Tempo-30-Regelung auf der L300 eine zulässige Maßnahme sein. Entscheidend ist dabei aber, was auf dem Papier steht: ohne belastbares Lärmgutachten läuft nichts.

Rechtlicher Rahmen: Gesundheit vor Geschwindigkeit

Die gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zur Lärmminderung liefert in Guckheim in erster Linie § 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Demnach kann Tempo 30 dort angeordnet werden, wo Verkehrslärm zu Gesundheitsgefahren führt. Als Richtschnur dienen dabei die Orientierungswerte der 16. Bundes-Immissionsschutzverordnung (16. BImSchV): 64 dB(A) am Tag und 54 dB(A) in der Nacht, speziell für allgemeine Wohngebiete. Wird dieser Grenzwert deutlich überschritten – und stehen keine baulichen Alternativen zur Verfügung, die den Lärm ausreichend mindern könnten –, kann die Geschwindigkeit reduziert werden.

Um festzustellen, ob eine Lärmbelastung von 64 dB(A) tagsüber (oder 54 dB(A) nachts) überschritten wird, wird der Verkehrslärm in der Regel nicht direkt gemessen, sondern berechnet. Das Ergebnis dieser komplexen Berechnung ist der A-bewertete Beurteilungspegel Lr, getrennt für den Tag (6:00 bis 22:00 Uhr) und die Nacht (22:00 bis 6:00 Uhr). Dieser berechnete Wert wird dann mit den Orientierungswerten der 16. BImSchV verglichen. Nur in Ausnahmefällen, etwa zur Überprüfung von Prognosen, werden Lärmpegel auch vor Ort gemessen.

Beispiel Mainz: Wie sich Lärmschutz umsetzen lässt

Wie das konkret funktionieren kann, zeigt die Stadt Mainz. Im Rahmen ihres Lärmaktionsplans hat sie auf mehreren Hauptachsen, darunter die Pariser Straße, die Kaiserstraße und die Rheinstraße, abschnittsweise Tempo 30 auch nachts durchgesetzt. Ziel war es, die Schlafqualität der Anwohner messbar zu verbessern. Grundlage für diese Entscheidung waren detaillierte schalltechnische Berechnungen, die eine dauerhafte Überschreitung der Lärmwerte gemäß der 16. BImSchV belegten. Die Umsetzung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), der für die Landesstraßen zuständig ist. Obwohl für Guckheim kein Lärmaktionsplan besteht, zeigt das Mainzer Beispiel, dass eine Zusammenarbeit mit dem LBM auf Basis fundierter Lärmberechnungen erfolgreich sein kann.

Lärmgutachten – Der Schlüssel zum Erfolg

Ohne Gutachten geht nichts: Ein rechtlich verwertbares Gutachten ist die Grundlage für jede Tempo-30-Anordnung aus Lärmschutzgründen. Egal, ob die Gemeinde es selbst erstellt oder es von einer Bürgerinitiative in Auftrag gegeben wird – es muss nach anerkannten Standards wie der Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen (RLS-19) durchgeführt werden.

Dabei ist zu beachten, dass für eine rechtlich belastbare Begründung von Tempo-30-Anordnungen keine punktuellen Messungen ausreichen. Stattdessen sind umfassende Lärmberechnungen des sogenannten Beurteilungspegels (Lr) erforderlich, die auf Verkehrsdaten und detaillierten Modellierungen basieren. Für einen Straßenabschnitt wie in Guckheim können die Kosten für ein solches Gutachten, das den Anforderungen genügt, bei etwa 5.000 bis 10.000 Euro beginnen, je nach Komplexität des Abschnitts und der benötigten Details.

Die Lärmkartierung aus dem Jahr 2022 spart Guckheim und die L 300 noch aus.
Die Lärmkartierung aus dem Jahr 2022 spart Guckheim und die L 300 noch aus.

Es ist in Guckheim, wo bislang keine offizielle Lärmkartierung vorliegt, ratsam, die Details für die Erstellung eines solchen Gutachtens im Vorfeld mit der Gemeindeverwaltung und idealerweise auch mit dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz abzustimmen.

Wer muss zahlen – Kommune oder Land?

Die Kostenfrage ist entscheidend. Die Gesundheitsvorsorge liegt in der Verantwortung der Kommunen. Wenn es sich jedoch um eine Landesstraße handelt, kann der Landesbetrieb Mobilität (LBM) als zuständiger Baulastträger potenziell in die Pflicht genommen werden, Kosten für ein Gutachten oder die Umsetzung von Maßnahmen zu übernehmen.

Eine formelle Aufforderung an den LBM zur Gutachtenerstellung kann sich daher lohnen. Wird diese Aufforderung abgelehnt, bleibt der Gang zum Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde – oder im Zweifelsfall der Weg vor Gericht.

Bürger können aktiv werden, auch ohne Lärmaktionsplan

Für Guckheim wurde bislang keine offizielle Lärmkartierung durchgeführt, und es gibt daher keine Pflicht zur Aufstellung eines Lärmaktionsplans nach § 47d BImSchG. Dennoch haben Bürgerinnen und Bürger in Guckheim Möglichkeiten, sich gegen übermäßigen Verkehrslärm zur Wehr zu setzen:

Als Bürger kann man einen formellen Antrag an die Gemeinde stellen. Darin sollte man Tempo 30 aufgrund von Lärmschutz fordern (mit Verweis auf § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO) und die Gemeinde bitten, dafür ein Lärmgutachten erstellen zu lassen. Wenn die Gemeinde dem nicht nachkommt, kann ein engagierte Bürger  oder eine Bürgerinitiative ein solches Gutachten auch selbst in Auftrag geben. Dieses Gutachten ist dann der entscheidende Nachweis, um die Gemeinde und den LBM zum Handeln zu bewegen und die verkehrspolitischen Vorstellungen notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.

Tempo 30 im Verbund: Klare Verhältnisse für Sicherheit und Akzeptanz

Für Verkehrsteilnehmende gibt es nichts Nervigeres als häufige Tempowechsel. Mal 30, dann wieder 50 und plötzlich wieder herunter. Solche „Flickenteppiche“ innerorts sind nicht nur störend, sondern können auch die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, da sie die Nachvollziehbarkeit verringern.

Zwar muss jede Geschwindigkeitsbeschränkung grundsätzlich die „zwingende Erforderlichkeit“ nach § 45 Abs. 9 StVO erfüllen. Die jüngsten Änderungen der Verwaltungsvorschrift zur StVO (seit April 2025) ermöglichen es den Straßenverkehrsbehörden jedoch, bei ihren Anordnungen explizit auch die Ziele Umwelt- und Klimaschutz, Gesundheit sowie die städtebauliche Entwicklung zu berücksichtigen.

Dies bedeutet, dass, wenn für angrenzende Streckenabschnitte bereits begründete Tempo-30-Anordnungen vorliegen (z.B. aus Lärmschutzgründen oder zum Schutz vulnerabler Personen) und ein kurzer dazwischenliegender Abschnitt noch mit Tempo 50 geregelt ist, die Behörden unter Umständen eine durchgehende Tempo-30-Regelung für die Verständlichkeit und Einheitlichkeit des Verkehrs anordnen können. Dabei wird die „zwingende Erforderlichkeit“ für den Lückenschluss im Lichte der übergeordneten Ziele und des Gesamtkonzepts bewertet.

Angesichts der 800 Meter Länge der L 300 innerhalb Guckheims könnte eine kompetent handelnde Gemeindeverwaltung darauf hinwirken, für einen Großteil der Ortsdurchfahrt Tempo 30 zu etablieren. Dies würde nicht nur die Sicherheit und den Lärmschutz erhöhen, sondern auch für einen homogenen Verkehrsfluss sorgen, der Stress reduziert und das Unfallrisiko senkt, da die ständigen Tempowechsel entfallen. Solche Maßnahmen schaffen klare Verhältnisse und verbessern die Akzeptanz von Verkehrsregelungen.

Kommunen als Taktgeber: Was Städte und Gemeinden wirklich dürfen

Auch wenn viele Entscheidungen rund ums Tempolimit auf den ersten Blick in Händen übergeordneter Behörden liegen: Die Gemeinden haben mehr Rechte, als oft vermutet wird. Nach § 45 Abs. 1j StVO dürfen sie ausdrücklich Tempo-30-Anordnungen beantragen. Das ist nicht nur ein „Wunsch an die höheren Instanzen“, sondern ein klar geregeltes Antragsrecht, das im Streitfall sogar gerichtlich durchsetzbar ist.

Es gibt jedoch einen Haken – zumindest bei klassifizierten Straßen wie Landes- oder Bundesstraßen: Dort ist weiterhin das Einvernehmen des zuständigen Landesbetriebs Mobilität (LBM) erforderlich. Ohne dessen Zustimmung bleibt ein Antrag auf Tempo 30 meist ein Papiertiger. In der Praxis bedeutet das oft langwierige Abstimmungen zwischen Gemeindeverwaltung und LBM, die nicht selten ein echter Geduldsakt sind. Aber eine Gemeinde, die ihre Rechte kennt und ihre Anträge fundiert begründet, hat eine deutlich höhere Chance, sich durchzusetzen und ihre Ziele – auch gerichtlich – zu erreichen.

Die rechtlichen Spielräume für Tempo 30 sind größer geworden – auch durch die Möglichkeit, angrenzende Tempo-30-Abschnitte aus Gründen der Einheitlichkeit und Verständlichkeit zu verbinden, wenn die übergeordneten Anordnungsvoraussetzungen gegeben sind. Doch besonders bei Hauptstraßen bleibt vieles Verhandlungssache. Kommunen können viel anstoßen, aber nicht alles allein entscheiden.

Kommunen am Steuer: Das Antragsrecht auf Tempo 30 bekommt mehr Gewicht

Lange Zeit fühlten sich viele Städte und Gemeinden machtlos, wenn es um die Gestaltung des innerörtlichen Verkehrs ging. Zwar kannten sie die Probleme vor Ort am besten – etwa zu schnelles Fahren vor Schulen, Lärm in Wohnstraßen oder gefährliche Kreuzungsbereiche – doch die Entscheidung darüber, ob Tempo 30 angeordnet wird, lag oft bei übergeordneten Behörden. Mit dem neuen § 45 Abs. 1j StVO hat der Gesetzgeber nun eine klare Regel geschaffen: Kommunen dürfen offiziell Tempo-30-Anordnungen beantragen – und zwar auch dann, wenn sie nicht selbst die zuständige Straßenverkehrsbehörde sind.

Mehr als ein Wunschzettel: Behörden müssen reagieren

Der Clou an der Neuregelung? Das Antragsrecht der Gemeinde ist nicht nur eine symbolische Geste. Die zuständige Behörde – zum Beispiel beim Kreis oder beim Landesbetrieb Mobilität – ist gesetzlich verpflichtet, auf den Antrag zu reagieren. Sie kann ihn nicht einfach ignorieren oder auf die lange Bank schieben. Es muss eine Entscheidung her: Ja oder Nein – und im Falle eines Neins braucht es eine nachvollziehbare Begründung.

Wenn die Gemeinde mit der Ablehnung der Straßenverkehrsbehörde nicht einverstanden ist, kann sie in vielen Bundesländern (Rheinland-Pfalz gehört dazu) zunächst Widerspruch gegen den ablehnenden Verwaltungsakt einlegen. Das Widerspruchsverfahren ist ein sogenanntes „Vorverfahren“ vor der eigentlichen Klage. Anschließend können die Gemeinden den Klageweg beschreiten. Damit steht Gemeinden ein echter Hebel zur Verfügung, um ihre verkehrspolitischen Vorstellungen notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.

Kommunaler Einfluss wird verbindlich

Die Zielrichtung des Gesetzgebers ist klar: Die Einflussmöglichkeiten der Kommunen auf die Verkehrssituation vor Ort sollen gestärkt werden. Und das nicht nur auf dem Papier, sondern ganz praktisch – indem Behörden zur Entscheidung verpflichtet und die Durchsetzung über Verwaltungsgerichte ermöglicht wird. Tempo 30 ist damit kein Wohlwollen mehr, sondern ein ernst zu nehmender Antrag mit klaren rechtlichen Spielregeln.

Hessen kann Tempo 30. im Bild die Ortseinfahrt von Dorndorf. Bild: R. Mauer
Hessen kann Tempo 30. im Bild die Ortseinfahrt von Dorndorf. Bild: R. Mauer

Hessen als Vorreiter, Rheinland-Pfalz mit Spielraum

Ein Blick über den rheinland-pfälzischen Tellerrand zeigt: In Hessen geht manches leichter. Dort sind Tempo-30-Anordnungen auf innerörtlichen Durchgangsstraßen kein Einzelfall, sondern vielerorts gelebte Praxis – vorausgesetzt, die Lärmbelastung ist messbar, die Gesundheitsgefahr nachgewiesen und der Nutzen durch Gutachten belegt. Pilotprojekte, Lärmaktionspläne und die aktive Unterstützung durch das Land haben dort eine Dynamik erzeugt, die man sich in anderen Bundesländern häufig nur wünschen kann.

In Rheinland-Pfalz sieht die Lage differenzierter aus. Tempo 30 auf Landesstraßen ist grundsätzlich möglich – das zeigen Beispiele wie Mainz –, doch die rechtlichen Hürden bleiben. Denn obwohl die jüngsten Anpassungen der StVO und der Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) den Kommunen neue Argumente an die Hand geben – etwa den Lärmschutz, den Schutz vulnerabler Gruppen oder städtebauliche Ziele –, braucht es in jedem Fall eine gute Begründung und oft das Einvernehmen mit dem Landesbetrieb Mobilität. Dies sollte aber in Guckheim leicht erreichbar sein, aus mehreren Gründen!

Kommunen können lokal steuern, müssen aber rechtlich präzise arbeiten und gut begründen – mit Daten, Gutachten und oft langem Atem. Verantwortungsvoll und kompetent agierende Gemeindeverwaltungen haben mittlerweile deutlich bessere Instrumente an der Hand, um sich im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) durchzusetzen.

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